Veröffentlichung zu Kohlenstoff-Buchhaltung: Carbon Metrics

The counting of calories, carbon and economic growth makes things visible that would otherwise remain hidden from global communication. But every reduction of complexity through more visibility implies invisibility of all other realities and of their linkages. Statistics increase visibility and thus produce new knowledge, thereby empowering people to act upon that knowledge. At the same time they disempower people by rendering unwanted facts and realities invisible, robbing them of their reasoning for alternative solutions and answers.

Auszug aus: Camila Moreno, Daniel Speich Chassé and Lili Fuhr: Carbon Metrics Global abstractions and ecological epistemicide. Heinrich Böll-Stiftung. Veröffentlichung vom 13.11.2015 (free download).

Ulrich Brand in FR: Gutes Klima für Eliten

Der Vertrag von Paris blendet entscheidende Probleme aus. An den Machtverhältnissen ändert er schon gar nichts.

Wird der 12. Dezember 2015 als klimapolitischer Wendepunkt in die Geschichte eingehen? Seit einer Woche wird intensiv diskutiert, was die Klimakonferenz gebracht haben soll. War angesichts der komplizierten Interessenlage nicht mehr drin? Kann man froh sein, dass nun ein grundlegender Konsens erreicht und ein Prozess auf den Weg gebracht wurde? Oder geht das Abkommen mit seiner Unverbindlichkeit sowie der markt- und technikfreundlichen Ausrichtung in die falsche Richtung? Hat in Paris doch jemand „gewonnen“ in dem Sinne, dass seine Interessen besonders geschützt sind?

Aus meiner Sicht sind die politischen Gewinner weiterhin die Bergbau- und Energiefirmen, die fossile Brennstoffe fördern und verbrennen. Machen wir uns klar: Um zwischen dem Beginn der Industrialisierung und dem Jahr 2100 die Erderwärmung auf 1,5 oder maximal zwei Grad zu begrenzen, müssen zwischen 80 und 90 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben. Da geht es um sehr viel Geld und Macht. Die weltweit bekannten Öl- und Kohlereserven heute haben einen Wert von 35 Billionen, also 35 000 Milliarden Dollar. Im letzten Jahr haben die US-amerikanischen und kanadischen Öl- und Gasförderer 235 Milliarden Dollar Gewinn (nicht Umsatz!) gemacht.

Wie wird deren Macht eingehegt? Können die Ansprüche der Investoren auf hohe Renditen in andere Bereiche umgelenkt werden? Diese Frage wurde in Paris noch nicht einmal gestellt. Die Energie- und Bergbauunternehmen haben so kräftig lobbyiert, dass im gesamten 32-seitigen Abkommen an keiner Stelle überhaupt die Worte Öl, Gas oder Kohle erwähnt werden. Ja mehr noch: Die Atomwirtschaft konnte ihre „nuklearen Lösungen“ gegen den Klimawandel präsentieren.

Weiterlesen in der Frankfurter Rundschau vom 20.12.2015.

Klimapolitik verstärkt globale und soziale Ungleichheiten

Sybille Bauriedl
Auszug der Zeitschrift Prokla:

Das Jahr 2015 soll als Meilenstein internationaler Klimadiplomatie für eine klimagerechte, nachhaltige Entwicklung in die Geschichte eingehen. Mit Blick auf die Anzahl langfristiger Zielvereinbarungen trifft dies auf jeden Fall zu: Im Juli fand die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba statt; im September wurden in New York die globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) verabschiedet; im Dezember sollen in Paris beim UN-Klimagipfel (COP 21) internationale Klimaschutzstrategien und -instrumente für die nächsten 15 Jahre festgelegt werden. Diese drei Gipfel-Vereinbarungen sind eng miteinander verknüpft. Die Entwicklungsfinanzierung soll den Weg für die Verwirklichung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen ebnen. Auch der G7-Gipfel im Juni 2015 in Elmau wird als Klimagipfel in Erinnerung bleiben, da die Teilnehmer_innen in ihrer Abschlusserklärung eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft verkündeten.

Die vollständige Abkehr von fossilen Energieträgern in Industrie, Mobilität sowie Strom- und Wärmeversorgung wäre ein großer Schritt für den Klimaschutz. Nur zwei Wochen später bremste der deutsche Wirtschaftsminister die Dekarbonisierung jedoch aus, indem er mit der Energie- und Kohleindustrie eine sogenannte Kapazitätsreserve vereinbarte und sie damit von Emissionsreduktionen entlastete. Mit dem Argument der Energiesicherheit in Zeiten schwacher Versorgung durch erneuerbare Energien sollen Arbeitsplätze im Altenergiesektor gesichert werden. Auf diese Förderung der Kohleindustrie reagierten Umweltaktivist_innen mit überregionalen Protestcamps und der Besetzung des Tagebaus in Garzweiler (vgl. die Aktion „Ende Gelände“). Diese und ähnliche Widerstandsaktionen sahen sich mit massiver staatlicher Repression konfrontiert. Gleichzeitig wird in den USA die unkonventionelle Erdgasförderung (Hydraulic Fracturing, kurz Fracking) gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung und Umweltaktivist_innen an vielen Orten mit Regierungsmacht durchgesetzt.

Wieso ist die internationale Klimaschutzpolitik trotz dieser Widersprüche glaubwürdig vermittelbar?

Weiterlesen in PROKLA 45(181), 629–636 (veröffentlicht im Dezember 2015).

Vokabular einer systemkonservierenden Klimapolitik

Sybille Bauriedl

Das Klimawandel-Problem wurde sehr schnell in eine Chance umgedeutet. Der Klimaschutz soll die Wirtschaft sowohl in den Industrieländern als auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern ankurbeln und dem globalen Finanzmarkt Investitionsfelder bieten. Die Chancen sollen über die marktbasierte Instrumente des Kyoto-Protokolls wie Clean Development Mechnism (CDM) stimuliert werden. Die Leidtragenden bei der Anwendung dieser Instrumente werden als Opfer des Klimawandels subsumiert. Beim Gipfel in Paris stehen keine grundsätzlichen Alternativen zu diesen Marktinstrumenten zur Diskussion, obwohl sie bisher weder zu einer gerechten noch zu einer insgesamt emissionsreduzierten Entwicklung geführt haben.

Weiterlesen auf dem Blog Klimadiplomatie, Eintrag vom 30.11.2015.

Interview zu „Wörterbuch Klimadebatte“

Vokabular des Stillstands

ROBIN WOOD: Klimawandel und Klimapolitik, es gibt wenige Themen über die bereits so viel geschrieben wurde. Nun ein weiteres Buch und zwar ein lexikalisches: Warum ist es Zeit für das „Wörterbuch Klimadebatte“?

Sybille Bauriedl: Beim anstehenden Klimagipfel in Paris soll die Zukunft der Klimapolitik neu verhandelt werden. Seit bald 25 Jahren – seit dem UN-Gipfel in Rio de Janeiro im Jahr 1992 – läuft die Klimadebatte auf Hochtouren, nicht nur im unbeobachteten wissenschaftlichen oder politischen Kontext, sondern als öffentliche Debatte. Seit deren Beginn gibt es einen großen Alarmismus, der von der Klimaforschung immer wieder mit neuen Ergebnissen befeuert wird: „Wir müssen sofort handeln“, „Es ist 5 vor 12“. Eine Besonderheit der Klimapolitik ist, dass sie zwar von den Regierenden der UN-Staaten als zentrales Thema ihrer Politik verstanden wird. Dennoch hat sie bislang nicht den gewünschten Effekt gebracht, die globalen Emissionen zu verringern. Für viele Experten ist die internationale Klimapolitik gescheitert. Die Perspektive des Wörterbuchs Klimadebatte ist es, die zentralen Begriffe, die in dieser Politik eine Rolle spielen, zu betrachten und zu reflektieren.

Weiterlesen: Robin Wood Magazin 125, November 2015